Auch das kann Parlamentarismus.
Steffen Bockhahn (Linke) sprach heute im Deutschen Bundestag in der Debatte um die Abstimmung zum PID-Gesetz.
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Wie viele seiner Kollegen war er sehr persönlich und gerade deshalb überzeugend. Der Vortragsstil wirkt zunächst etwas monoton und verhalten. Offensichtlich aus dem ‘einfachen’ Grund, dass für ihn sehr viele Gefühle im Spiel sind, die er zunächst unterdrückt. Folgendes fiel mir positiv auf:
- Er stellte den Bezug zu vorherigen Rednern (Kauder, Zöller) her, anstatt stur seine vorbereiteten Argumente vorzutragen.
- Er verwendete eine scheinbar harmlose Metapher (“Weg”) sehr eindringlich (“kein Sonntagsspaziergang”).
- Er teilte zunehmend sein persönliches Erleben und seine Gefühle (“kein Spaß in einer Beziehung”, “aus eigenem Erleben”, “Ich selbst…”).
- Er unterstrich dies durch umgangssprachliche, aber diplomatische Äußerungen (“Das finde ich nicht in Ordnung.”).
- Aber vor allem traute er sich, echte wahre Gefühle zu zeigen. (‘Tränenerstickte’ bzw. bebende, gebrochene Stimme am Schluss).
“Ich selbst…” – das frage ich mich bei jeder Rede und jedem Vortrag. Wie (er)lebe ich das Thema (meine Botschaft) selbst? Welche Gefühle, welche emotionale Haltung bewegt mich wirklich? Eine einfache und sehr wirkungsvolle Übung, Ihren emotionalen Facettenreichtum in Präsentationen oder Reden zu erweitern, habe ich früher schon einmal beschrieben. Sie gibt Ihnen auch Aufschluss darüber, welche Gefühle für Sie, das Thema und das Publikum angemessen sind. Und dann? Dann zeige ich die Gefühle, die ich habe, einfach offen.
Ok. So einfach ist das nicht. Aber Steffen Bockhahn tat das vor 595 Abgeordneten, als potenziell die ganze Welt zuschaute. Dafür zolle ich ihm Hochachtung, ach was: Er ist ein Held.
Am 7.7.2011 erlebte ich eine Glanzstunde des Parlamentarismus, die mich irgendwie beglückte und stolz machte, denn unser politisches System ermöglicht auch solche Debatten.
(für Claudia und Maren)