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  • Einsicht in die republica

Ein empathischer Blick in die republica 2013

Fotos, Gedanken und ein frommer Wunsch. 

Korrekt heißt es: “ein Blick auf”. Dass die republica mit ihren ca. 5000 Teilnehmern dafür sorgt, dass ich so gewaltig ans Nachdenken komme, finde ich ungewöhnlich. Daher das “in” – introspektiv eine Einsicht gewonnen.

Das Schönste an der republica war wie immer, die Menschen, mit denen ich digital verbandelt bin, in echt zu treffen. Seit 2011 dokumentiere ich das in Fotos. (Dass mir nicht alle gelangen – d.h. diejenigen, die hier nicht zu sehen sind,  lag an mangelnder Konzentration und unscharfen (!?) Bildern meinerseits).

Freundliche Menschen, das Herz wärmende Gespräche, Wissensaustausch und Diskussionen – das sind die Geschichten hinter diesen Bildern.

Nun ist das digitale Leben aber nicht nur von Flausch und Wohlwollen geprägt.

Rants

Kurz vor der republica teilte ich auf Facebook (aus Versehen, weil zu hastig überflogen) einen Rant (für nicht-Digitale: eine Schimpftirade). Aus Versehen? Ja, denn das Thema lag mir am Herzen (ich wollte das weitergeben), aber ich hatte übersehen, dass im Text das Wort “abgrundtiefer Hass” stand. Wenn ich Hass lese – zuckt meine zarte Seele jedes Mal zusammen, denn ich habe sofort rechtsradikale Graffitis und Finger-Tattoos vor Augen, in denen das Wort mit sehr kantigen “S” geschrieben wird. Ich danke daher dem Facebook-Freund, der mich auf die Wortwahl hinwies. Ich habe den Link wieder gelöscht.

Hass?

Über Folgendes denke ich seitdem nach: Wie kann man Verhaltensweisen anderer in digitalen Netzwerken ändern und den Änderungswunsch wertschätzend kommunizieren? Wie kann man darüber hinaus die selbst ernannten “Hassprediger”, die ja eigentlich nur genervte oder wütende Mitmenschen sind, zu einem gemäßigten Miteinander bringen? Denn sind wir ehrlich: Oft handeln solche Rants noch nicht einmal von Erste-Welt-Problemen, sondern sogar ‘nur’ von Problemen der digitalen (ersten) Welt.

Zwei Vorträge von der republica zeigten mir, dass ich mit solchen Gedanken erstens nicht allein bin und zweitens eine Mäßigung bitter nötig ist.

Und überhaupt: Empathie

Gunter Dueck plädoyierte in seinem Vortrag für Kulturempathie. Ich leite daraus eine Bitte ab (und versuche das übrigens ständig, selbst zu beherzigen): Versetzt Euch als Rant-Schreiber oder “Trolle” doch mal bitte in diejenigen, die Ihr anprangert und von denen Ihr Euch eine  Verhaltensänderung wünscht. Im Sinne absoluter Gleichberechtigung heißt das auch: versetzen wir uns in diese vor Wut überschäumenden Autoren, um ihre drastischen Worte zu verstehen, so aggressiv sie auch sein mögen. Nicht einfach für beide Seiten, aber gut, dass es Gunter Dueck mal gesagt hat.

Dass übrigens auch Gunter Dueck Opfer negativer Aufmerksamkeit ist, finde ich erschreckend. Das böse Wort mit den zwei “S” in einem Atemzug (Tweet, Äußerung) mit seinem Namen zu nennen? Für solche Menschen findet meine Empathie dann doch ihre Grenzen.

#aufschrei

Ich habe #aufschrei damals nicht so intensiv verfolgt, weil ich müde bin, den Feminismus von seinen Feinden zerrissen oder verrissen zu sehen. Wer die Session von Anne Wizorek live gesehen hat und lesen musste, was ihr per Twitter und insbesondere per Mail von mancher Seite an Hass entgegenschlug (im Video ab 34:00) – der weiß, aus welchem Grund ich jetzt diesen Blogpost schreibe. Versetzt Euch doch mal bitte in eine Frau, deren Gesundheit man bedroht, die man mit allen möglichen negativen Attributen belegt, nur um nicht über das nachzudenken, wozu sie aufruft. Und ok, ich versuche, mich in Menschen zu versetzen, die so etwas schreiben. Mein Vorstellungsvermögen ist begrenzt: Schreibt man so etwas, wenn man sich betroffen im Sinne von ertappt fühlt?

Was tun?

Wenn Ihr meckern wollt, dann sagt, wie es zu Eurem Unmut kam. Unmut ist ein schönes Wort, tausend Mal schöner als Hass. Denn es ist nicht blind, sondern hat mit “Mut” zu tun. Und anschließend ermutigt Ihr durch produktive Vorschläge Eure Unmutsverursacher dazu, neue bessere Wege zu beschreiten. Ich finde, Hannes Korten liefert in seinem Beitrag zur Storytelling-Blogparade ein perfektes Beispiel, wie so etwas aussehen könnte. (N.B.: Auch er schreibt “hasse ich wie die Pest” – das sehe ich hier als metaphorisch verwendetes Stilmittel und nicht wirklich aggressiv gemeint)

Deshalb nagele ich jetzt mal etwas an die digitale Wand und äußere einen frommen Wunsch.

Empathie-Manifest

Schreib “Unmut,” wo Du “Hass” denkst.

Bedenke, dass Unmut Unmut zeitigt.

Formuliere wertschätzend, was Du Dir anders wünscht.

Mach uns neugierig auf diesen neuen Weg.

“Das Internet” bietet viel Möglichkeit für Austausch, Verbundenheit, Begegnungen, Freundschaft und Empathie. Ich wünsche mir, dass wir dieses Potenzial in den knapp 360 Tagen bis zur nächsten republica noch mehr für wahren, produktiven Diskurs nutzen.

Comments

  1. Schöner Artikel und schöne Idee – ich hab nur wenig Hoffnung, dass ich etwas ändert 

    Meiner Meinung nach ist die beste Lösung immer noch, solche Leute einfach zu ignorieren. Sonst zieht man sich diese Negativität nur in sein eigenes Leben. Und verändern kann man andere Menschen sowieso nicht. Ich finde außerdem den folgenden Gedanken ganz interessant:

    Man kann sich zurücklehnen und dem Troll alles Gute wünschen, da er für diese Handlung bereits in der Vergangenheit bestraft worden ist. Wieso? Der Mensch hat ja offensichtlich einen Überschuss an negativen Gefühlen, die wahrscheinlich nicht entstanden wären, wenn bisher alles in seinem Leben positiv verlaufen wäre. Der Grund, wieso die Person – anscheinend grundlos – jetzt so negativ auf einen reagiert, liegt in irgendeiner negativen Erfahrung, die sie gemacht hat, ohne die sie wahrscheinlich anders reagiert hätte. Das heißt: drüber hinwegsehen und ignorieren, wohl wissend, dass diese Person bisher wahrscheinlich ein weniger schönes Leben hatte, als man selbst.

    Die gilt natürlich nicht für Gewalt-Drohungen! Der Absender der Mail mit dem „glühenden Eisen“ sollte natürlich angezeigt werden, so was könnte sehr gefährlich werden.

    • Hallo Carlo,

      vielen Dank für den Mut machenden Kommentar. Die Haltung “wohl wissend, dass diese Person bisher wahrscheinlich ein weniger schönes Leben hatte, als man selbst” finde ich gut. Auch wenn man es nicht wirklich weiß – die Vermutung allein hilft, wenn man getrollt wird.

      Herzliche Grüße
      Caroline

  2. Liebe Caroline Kliemt,
    ich bin durch facebook auf dein Empathie- Manifest aufmerksam geworden. Die Idee ist gut und wichtig und befürworte ich auch.
    Was das bedächtige Schreiben angeht @Martin, kann ich einen ergänzenden Tipp geben:
    Wer zu arg in Rage ist und seinem Unmut und seinen Gefühlen freien Lauf lassen möchte…All seinen Frust, seine Emotionen raus lassen, rausschrei(b)en, aufs Blatt schreien…allerdings NICHT SOFORT veröffentlichen, auch wenns schwer fällt, sondern seine Seele damit befreien und später, wenn einige Zeit, ein Tag, vergangen ist, wenn eine Nacht drüber geschlafen ist, dann sind, meiner Erfahrung nach, die Wogen geglättet und man blickt den Dingen klarer entgegen.
    Natürlich ist mir klar, das dieser Hinweis für Meckerköpfe, die ihren Unmut und Schlimmeres loswerden möchten, nicht viel bewirkt.
    Aber zumindest diese kleine Ergänzung wollte ich anmerken.
    Einen lieben Gruß aus Berlin.

  3. Schöner Artikel, Caro. Danke dafür.

    Meine ergänzende Empfehlung für Dein Manifest: Schreib erst, wenn Du Dir die Zeit genommen hast, Deinen emotionalen Zustand in Ruhe zu betrachten. Die Kraft, die sich dumpf in Hass, Unmut oder wenig differenzierter Sprache (so sie nicht Stilmittel oder humoristisch angelegt ist) zeigt, ist wichtig.

    Aus der Ruhe und Klarheit heraus kann diese Kraft meist sinnvoller und effektiver eingesetzt werden. Dafür braucht es tatsächlich Mut, aber in einem selten erwanderten Feld, jenem aufrichtiger Introspektion. Und wenn ich von “selten erwandert” schreibe, dann weil ich weiß, wovon ich rede.

  4. Olli, ich bin empört – Dein Kommentar ist ja fast länger als mein Text, was soll denn Google dazu sagen? — Im Ernst: Die Real-Life-Firewall, genau die mein ich. So schön es ist, emotional zu sein, muss es ja nicht immer negativ brennen.

  5. Hass ist also digital – auch analog verweilt er in den Köpfen :)
    Vor Jahren fing ich an mich mit dem Wort Hass auseinander zu setzen, ursprünglich kam es aus dem privaten Umfeld, wo mir Handlungen von nahe stehenden Personen missfielen oder aber eine Enttäuschung die Ursache war für getrennte Wege. Aber Hass? Nein, warum sollte ich jemand hassen, nur weil er anderer Meinung ist, warum sollte ich eine der schärfsten Formen der Verachtung wählen? Selbst Verachtung ist “harmlos” – denn sie drückt die Tatsache aus, dass ich diese Person nicht achten werde, also wenig Wert darauf lege was sie tut.

    Ich kann Hass verstehen, wenn es um Mord oder andere schwerwiegende Konflikte geht, aber selbst da ist der Hass völlig fehl am Platz, denn er wird nie etwas ungeschehen machen.

    Für mich kam ich zu dem Entschluss, dass Hass ganz stark an Respekt geknüpft ist. Vor allem im digitalen Alltag fehl es an Respekt und Toleranz. In der Welt zum Anfassen üben wir Toleranz täglich und beklagen uns über Menschen, die Mitmenschen respektlos behandeln. Aber Online?

    „Hey, ich verstecke mich hinter der Anonymität und kann die sau raus lassen, ich kann hassen, trollen und beleidigen, denn ich bin ja Anonym. Respekt? Wovon sprichst Du? Ich brauch das nicht. Ich muss auch keine andere Meinung akzeptieren, denn wer mir nicht passt wird gehasst.“

    Ich ging davon aus, dass viele, die so wie wir, täglich online sind und hier digital leben, respektvoll miteinander umgehen und auch andere Meinungen akzeptieren. Leider fehlt es dann doch am gesunden Menschenverstand, der scheinbar bei einigen auf die DENY Regeln der Real-Life-Firewall getroffen hat.
    Und ich musste das nun mal loswerden ;)

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